Nach einem kurzen Fußmarsch erreichten wir die Gruft ohne weitere
Zwischenfälle. Sogar die Schläger ließen uns in Ruhe,
was Angesicht unseres Zustandes nicht von Nachteil war. Nach den Kämpfen
und dem hektischen Treiben auf den Straßen war hier ein willkommener
Platz um etwas Ruhe zu finden und die Ausrüstung zu kontrollieren.
Der alte Kupferohring aus der Leichenhalle fesselte mich besonders. Warum
hatte er keinen Haken um ihn am Ohr zu befestigen? Kaputt schien er nicht
zu sein. Bei näherer Betrachtung fiehlen mir merkwürdige Rillen
auf, die mit den Symbolen von Zombie Nr.79 aus der Leichenhalle eine gewisse
Ähnlichkeit hatten. Vorsichtig legte ich meinen Finger in die Kerbe,
auf die das Dreieck in dem gezackten Kreis zeigte. Mit einem leisen Schnappen
öffnete sich der oberer Teil. Nun wurde mir der Sinn des Ohrrings
klar: in einem kleinen Hohlraum konnte etwas vor neugierigen Blicken versteckt
werden. Leider hatte der Vorbesitzer von dieser Möglichkeit keinen
Gebrauch gemacht, doch die Enttäuschung war schnell verflogen. Schließlich
mußte der Ohrring ordentlich Klimper bringen.
Knirschend machte mich Morte auf den Sinn unserer Pause aufmerksam. Ich
verstaute den Ring und wir legten uns auf den kalten Boden um ein paar
Stunden auszuruhen.
Erholt weckte ich meine Gefährten und wunderte mich wiedereinmal
wie es einem Schädel gelingen kann zu schweben! Irritiert nahm ich
mein Journal und blätterte die Notizen durch. Beinahe hätte
ich mein Versprechen an Sev'Tai vergessen. Da die "bellenden Hunde"
bei der Bar sein sollen, machten wir uns auf den Weg. Beim Anblick der
Nacht wurde mir bewußt, daß es mit meinem Zeitgefühl
nicht zum Besten stand. Mein letzter Tod hatte wohl mehr als eine Wunde
hinterlassen.
Nach ein paar Schritten wurde ich von dem Plunder abgelenkt, der mir vor
kurzem als unnötiger Ballast erschien. Angesichts unserer wenigen
Kupferstücke nahm ich zumindest die alten Waffen wieder zu mir, in
der Hoffnung, doch noch etwas Klimper zu erfeilschen. Allerdings mußte
ich erst noch einen Händler finden, der mich wegen des rostigen Dolches
nicht gleich anspuckt.
Beim Anblick des gewaltigen Bogens, der die beiden Bezirke voneinander
trennt, mußte ich an Ingress denken und Schritt mit Unbehagen unter
ihm durch.
Vor der Bar hielten sich keine "bellenden Hunde" auf, also suchte
ich in der Nähe des heruntergekommenen Mietshauses.
Der kleine dicke Mann wirkte in so einem dunklen Bereich deplaziert. Ich
war etwas überrascht, daß er mich gleich mit einem freundlichen
"Wie geht's dir heute?" begrüßte. Da ich ausgeruht
war antwortete ich "Es geht mir gut." Ein kurzes Lächeln
huschte über sein Gesicht. Ich überlegte kurz, ob er es Angesicht
meiner unzähligen Narben als Ironie auffasste, verwarf den Gedanken
aber. Seine Aufmerksamkeit schien mehr dem verdorrten Baum vor ihm als
mir zu gelten. "Und wie geht's dir heute?". "Es geht mir
eigentlich nicht schlecht, aber ich bin traurig". Passend für
so einen Ort. "Wieso?". Da er bereits die ganze Zeit den verdorrten
Baum mit einem traurigen Blick bedachte und ihn tätschelte, kam mir
meine Frage etwas dumm vor.
"Die Bäume sterben und den Leuten ist es gleichgültig!".
Angesichts des ganzen Elend in den Straßen wurde mir erst jetzt
bewußt, daß ich ihn Sigil noch keinen einzigen gesunden Baum
sah. Das Gestrüpp mit seinen scharfen Blättern, das manche Häuser
bedeckte, konnte kaum als "gesund" und "Baum" bezeichnet
werden. Ich musterte das vertrocknete Etwas und antwortete "Ja, du
hast recht, das ist eine traurige Sache". Überrascht erwiderte
er "Wirklich? Oh! Ich meine wundervoll!
Wenn dies die Leute sagen, und wirklich wollen, daß die Bäume
wieder grün werden und blühen, könnte es bestimmt klappen!".
Welch ungewöhnliche Gedanken, aber er könnte recht haben! "Du
könntest recht haben". Er ermunterte mich, meine Begleiter zu
fragen. Morte antwortete gelangweilt "Was? Oh ja, Meister klar -
was auch immer du sagst." Zornig starrte ich Morte an. Er fügte
hastig hinzu "Ich versuchs ja!".
Dak'kon war der ganzen Situation nicht abgeneigt und stimmte bereitwillig
zu.
Neugierig fragte ich warum die Bäume überhaupt sterben. "Die
Dabus sind Schuld, in diesen Teil des Stocks kommen sie nur selten.".
"Warum?". "Wegen Fell. Er ist der einzige Dabus, der nicht
der Dame dient. Er hat einen Tätowierungsladen.". Der Name Fell
löste in mir ein gewisses Kribbeln aus. "Wo kann ich Fell finden?".
"Geh einfach Richtung Osten. Auf einem Gebäude siehst du dann
Fells persönliches Symbol: ein weißes Oval mit einem Blitz
in der Mitte". Als ich meine Tätowierungen betrachtete fragte
ich mich was wohl mein "persönliches Symbol" ist? Bevor
ich mich verabschiedete erkundigte ich mich noch nach seinem Namen. "Ich
werde der-um-Bäume-trauert genannt".
Im Osten fand ich ein ungewöhnliches Haus mit den Symbol das der-um-Bäume-trauert
beschrieben hatte. Im Inneren war auf den ersten Blick, von dem Dabus
abgesehen, nichts ungewöhnliches. Aufmerksam musterte ich Fell. Er
war -für einen Dabus- normal. Weißes Haar, grünliche Haut,
ein Paar Bockshörner. Trotzdem wirkte er seltsam. Auf einmal erkannte
ich, was mich an ihm störte. Er stand auf dem Boden und schwebt nicht
wie die anderen Dabus. Beunruhigend.
Beim Anblick des Dabus wurde mir klar, daß ich Fell bereits getroffen
hatte, nur konnte ich ihn nicht so recht einordnen. Fell blickte mich
an und über seinem Kopf erschien sein Symbol. Er hatte meine Verwirrung
richtig gedeutet. "Ich hab' das Gefühl, dich zu kennen, Fell."
Anstatt mir zu antworten kreiste ein Strom von Symbolen um seinen Kopf.
Obwohl ich mich nicht erinnern kann, jemals die Bedeutung der Symbole
gelernt zu haben, erschienen sie vertraut. Nach einer Weile hatte ich
die Bilder entschlüsselt. "Die ist das erste Mal und nicht das
erste Mal, daß du an diesem Ort bist.". "Weißt du
wer ich bin?". "Ja. Aber es ist mir nicht erlaubt, deine Geschichte
zu erzählen." Diese Antworten ließen auf ein etwas zähes
Gespräch schließen. Trotz mehrmaligen Fragens blieb Fell stur.
"Entschuldige, aber ich kann es nicht. Ich kann das Wesen eines Menschen
nicht ändern". Dieser Satz schlug wie ein Schwert in meine Gedanken
ein und ich mußte mich beherrschen nicht zu kotzen. "Wesen
eines Menschen? Was soll das bedeuten?". Da Fell mir nur eine unbefriedigende
Antwort gab, wechselte ich das Thema. "Kannst du mir etwas über
die Tätowierungen auf meinem Knochengerüst erzählen?".
"Die auf deinem Rücken wurden von sorgfältiger Hand gemacht
und sind Anweisungen für einen Geist, der sich selbst vergißt.
Das Symbol auf deiner linken Schulter ist das Zeichen für Folter.".
Mit den Anweisungen meinte er wohl das Handbuch für den Wiedergeborenen
das mir Morte vorgelesen hat. Aber was zum Teufel bedeutet Folter?. "Folter?".
Fell antwortet mit einem Symbol, das mit fast in den Augen schmerzte.
"Es ist Folter. Dies ist es, was alle gequälten Seelen zu dir
zieht.". Fell nickte in Richtung meiner Schulter."Das Fleisch
weiß, wann es leidet, selbst wenn der Geist es vergessen hat. Und
so trägst du immer die Rune". Was bedeutet das? Der Sinn blieb
mir leider völlig verborgen. Ist dies mein Symbol? Folter? Und wenn,
warum handelt es sich bei "meinem" Symbol um eines, dessen bloser
Anblick mir Schmerzen bereitet? Ich beschloß das Gespräch vorerst
zu beenden.
Im hinteren Teil des Studios bemerkte ich einen Vorhang der mich neugierig
machte. Fell protestierte nicht, als Morte, Dak'kon und ich den abgetrennten
Teil begutachteten. Mir wurde übel. Über primitiven Holzrahmen
waren Menschenhäute gespannt und jede Haut war mit ungewöhnlichen
Symbolen verziert.
Nachdem ich die Symbole längerer Zeit betrachtet hatte, fragte Dak'kon:
"Ist dir eigentlich bekannt was als nächstes zu tun ist?".
Wir gingen zu Fell und fragten nach den Rahmen. "Dies ist meine Galerie.
Du bist meine Leinwand. Ich bewundere dich. Ich bin traurig wegen dir.".
Ich hatte Fell anscheinend vor meinem Erwachen in der Leichenhalle bereits
getroffen, daß er wegen mir traurig ist erschien mir allerdings
seltsam. "Ich bewundere dich, weil du dich niemals der Last dieser
Verluste ergeben hast, obwohl ihre Ketten noch an dir hängen. Diese
Verluste hüllen dieses Leben und alle deine vergangenen ein. Du streifst
Leben ab wie eine sich häutende Schlange. Du erforscht die unendliche
Pfade des Lebens. Nimm diese Warnung mit: jedes deiner Leben wirft einen
Schatten auf das Dasein. Du mußt zu einem Ort reisen, wo diese Schatten
verrückt geworden sind und Reue der Erde Narben zugefügt hat."
Ich verstand kein Wort. Ich gehörte sicher nicht zu den dümmsten
in Sigil, trotzdem erschienen mir Fells Worte fremd.
Da Fell, auf seine Art, bereits alles sagte was er zu sagen hatte warf
ich eine kurzen Blick auf seine verfügbaren Tätowierungen. Eine
stach mir besonders ins Auge: "Die Tätowierung der rastlosen
Toten". Verdutzt blickte ich zu Fell. Dieser erzählte mir eine
kurze Geschichte über meine Abenteuer im Mausoleum, lieferte aber
keine nähere Erklärung. Wenn schon dieses kurze Abenteuer Fell
zu einer magischen Tätowierung veranlaßte, was vermochten dann
wirklich großen Taten zu vollbringen?. Ich beschloß Fell nicht
zu fragen, woher er dies überhaupt erfahren hatte.
Vor Fells Studio lauerten uns Schläger der bellenden Hunde auf. Morte
war für einen schwebenden Schädel wie immer erstaunlich zielsicher,
meine Angriffe waren jedoch erbärmlich. Als Dak'kon mein Mühen
sah, murmelte er ein paar Silben. Ich spürte wie meine Stärke
in ungeahnte Höhen schoß. Mit der gewonnenen Stärke und
meinen Gefährten war es ein leichtes, die ungewöhnlich starken
Schläger zu töten.
Nachdem wir etwas Klimper, einen Ohrring und zwei merkwürdige Rattenschwänze
als magere Beute einsammelten, fragte ich Dak'kon nach seinem Zauberspruch.
"Wisse, dies war -Die Stärke des Einen- aus dem Ring von Zerthimon.".
Die Silben die Dak'kon während des Kampfes geflüstert hat, schienen
mir vertraut. Aber den letzten Schlüssel zur Einsicht schien ein
anderer für mich bereit zu stellen. Da Dak'kon mir keine weiteren
Auskünfte erteilen wollte, beschloß ich die Augen nach einer
oder einem Magiekundigen offen zu halten. Die Kunst scheint mir nicht
unvertraut und nach dem letzten Kampf ist der Pfad der Magie nicht völlig
unwahrscheinlich.
Da ich nun mein Versprechen an Sev'Tai einlösen konnte, machten wir
uns auf den Weg. Als ich ihr mitteilte, daß wir die Schläger
ins Totenbuch steckten, schenkte sie uns einen Kupferohring der einer
ihrer toten Schwestern gehörte. Eine makabere, aber nicht unwillkommene
Belohnung für unsere Mühe.
Draußen bemerkte ich Ingress. Wir hatten Mühe sie einzuholen
um ihr endlich mitteilen zu können, daß Candrian ein Portal
zu ihrer Ebene kennt. Sie reagierte sehr zurückhaltend. Eigentlich
hatte ich etwas Freude in ihren Augen erwartet, da sie soviele Jahren
in diesem Kerker verbrachte. Ich wünschte ihr noch viel Glück
und machte mich auf den Weg um Caldrian in der "schwelenden Leiche"
zu treffen.
In der Nähe der Bar riß mich eine umhereilende Frau aus meinen
Gedanken und flehte mich an "Hilf mir, Schleifer! Bitte! Sie töten
meine Schwester!". Hastig zog sie an meinem Arm. Noch etwas verwirrt
fragte ich "Wer?". "Dieser betrunkene Mann, der uns vor
einer der Tarvernen gefolgt ist... Wir dachten, er wäre nicht gefährlich...
Bitte, Schleifer, wir haben keine Zeit mehr! Hilf uns!" "Moment!
Erst hast du gesagt, sie bringen deine Schwester um, und jetzt sagst Du
er bringt sie um. Was stimmt denn jetzt?". Ihr Blick wanderte über
die Blutflecken auf ihrem Kleid. Das Blut war bereits völlig eingetrocknet
und mehrere Stunden alt. "Was führst du im Schilde?". "Meine
Schwester liegt im Sterben während wir hier zögern!". Da
mir ihre Nervosität nicht entgangen war versuchte ich es mit einer
Täuschung. "Du führst doch was im Schilde. Sag mir, was
los ist, oder ich töte dich.". Ein Blick auf meine unzähligen
Narben überzeugt sie. "Ich soll Leute in eine Gasse in der Nähe
locken. Dort warten sie... um die deinen Klimper abzunehmen.". Ich
ersparte mir irgendwelche Ratschläge und wand mich von ihr ab.
In der Bar gab Candrian mir eine Belohnung die er von Ingress erhalten
hatte. Einen Beutel voll Zähne! Bevor ich mich abwenden konnte, machte
mich Morte darauf aufmerksam, daß er schlecht mit Schwertern hantieren
könne und sich die Zähne mal genauer anschauen möchte.
Wir stellten fest, daß durch den Beutel voll Zähne Morte seine
Kampfkraft erhöhen kann. Eine ungewöhnliche, aber sehr nützliche
Belohnung. Etwas erheitert verließen wir die Bar.
In einigen Schritten Entfernung erblickte ich der-um-Bäume-trauert.
Im Gegensatz zu unserem ersten Treffen schien er etwas aufgeregt. Hastig
rannte ich zu ihm und fragte "Gibt es irgendwelche Veränderungen?".
"Ja mein Freund und ob! Es fließt frischer Saft durch den Stamm
und ein paar neue Knospen bilden sich!". Wir, selbst Morte, waren
völlig verblüfft. Es war kaum eine Stunde vergangen und in einem
fast toten Baum pulsierte neues Leben. Waren Gedanken und Worte wirklich
so mächtig? Dieser Name, der-um-Bäume-trauert, erschien mir
auf einmal so wichtig. So unendlich wichtig.
Ein paar Schläger witterten eine Chance und versuchten uns anzugreifen.
Sie bereiteten keine großen Probleme. Die Beute war etwas besser
als beim letzten Mal, sogar ein Blutgerinnseltalisman war darunter. Da
wir keine Heilmittel besaßen, war dieser sehr willkommen.
Die Nacht behagte uns nicht besonders und unsere letzten Kämpfe hatten
doch Spuren hinterlassen. So beschlossen wir uns wieder in der Gruft auszuruhen.
Am nächsten Morgen machten wir uns Richtung nord-westen auf um den
dortigen Teil des Stocks zu erkunden.
Das Geschrei eines Stock-Schleppers war wie immer das erste das an meine
Ohren drang. ich ignorierte Mortes Warnung und ging auf einen Mann zu
dessen Gesicht vollständig mit schwarzen Linien überzogen war.
"Sei gegrüßt." Er antwortete mit einer merkwürdigen
Stimme und die Linien auf seinem Gesicht bildeten ein neues Muster. "Dieser
hier hat einen Namen: Der hier heißt Porphiron. Dieser hier möchte
wissen: Warum sprichst du diesen hier an?". Ich fragte mich, warum
mir niemand vernünftig antworten kann. Wenigstens sprach er nicht
ausschließlich durch seine Linien zu mir. Er wirkte zwar nicht besonderes
gefährlich, trotzdem bereitete ich mich auf einen Kampf vor. Ich
beschwichtigte ihn und sagte, daß ich nur Fragen über die Stadt
stellen möchte. Die Frage war allerdings sinnlos, da er erst vor
kurzem nach Sigil kam.
Nachdem ich das Linienmuster längere Zeit betrachtete, mußte
ich einfach fragen. "Warum bewegen sich diese Linien da... in deinem
Gesicht?" Er gab keine klare Antwort. Er erzählte umständlich
von drei Gaunern die ihm eine Kette abgenommen haben. Es stellte sich
heraus, daß er zwar ein Krieger ist, er aber ein Gelübde der
Gewaltlosigkeit abgelegt hat. Der Orden dem er angehörte "Orden
von Erit Agge" schien auf "die letzten Tage" zu warten.
Ich war mir zwar nicht ganz sicher was er damit meinte, er sollte aber
aufpassen, sonst erlebt er diese Tage nicht mehr.
Ein Pazifist der auf den großen Augenblick wartet an dem er seine
kämpferischen Fähigkeiten einsetzen kann... Auch nicht seltsamer
als ein von Narben Übersäter der mit einem schwebenden Schädel
umherzieht.
Da Porphiron keine Möglichkeit hatte seine Kette zurück zu bekommen,
bot ich meine Hilfe an. Bei der Kette handelte es sich um diejenige, die
ich bereits den Schlägern bei der Bar abgenommen hatte. Ich war froh
nicht durch ganz Sigil rennen zu müssen. Bereitwillig überlies
ich Porphiron die Gebetskette. Als ich ihm sagte, daß wir uns die
Kette mit Gewalt geholt hatten, schien er zufrieden zu sein.
Er machte keine Anstalten uns irgendeine Belohnung zu geben Ich fragte
ob er mich wenigstens im Kriegerhandwerk unterrichten könne. Er willigte
ein und hielt einen Vortrag über Konzentration, Erfahrung und anderen
Dingen die für einen Krieger wichtig sind. Er erläuterte noch
verschiedene Stufen des Kriegers, wobei die Beschreibung des Unwissenden
am besten zu mir paßte.
Nach den Worten sollten nun endlich Taten folgen und so ließ ich
mich im Umgang mit Dolchen Unterrichten. Es war eine schmerzvolle Erfahrung,
doch schließlich war ich nicht mehr ganz ungeschickt. Ermutigt wollte
ich von Porphiron noch mehr Training, er konnte mir allerdings nicht mehr
beibringen. Er meinte ich solle mich auf die Suche nach einem Meister
machen um mehr zu lernen. Eine Gelegenheit meine neuen Fähigkeiten
zu testen ließ nicht langen auf sich warten. Ein paar Schläger
waren unvorsichtig genug um uns anzugreifen. Ich merkte deutlich, daß
es nun wesentlich leichter war den Dolch zu führen. Wir teilten die
Beute auf und beschlossen bald einen Händler aufzusuchen, da unsere
Taschen schon recht voll waren.
Etwas nördlich erblickte ich einen Mann, der etwas zu suchen schien.
Er machte einen harmlosen Eindruck, also sprach ich ihn an. Er stelle
sich als Vlies vor und bat mich ihm zu helfen, da die Bewohner des Stocks
nicht sehr hilfreich waren. Anscheinend hatte er sich verlaufen und sucht
das Haus einer Tante. "Seit meinem letzten Besuch scheint sich der
Verlauf der Straßen geändert zu haben". Die zahlreichen
Dabus ließen an seinen Worten keinen Zweifel aufkommen. Gerade als
wir uns verabschiedeten, bemerkte ich wie Vlies in meine Taschen griff
und etwas Klimper stahl. Fasziniert von seiner Fingerfertigkeit gab ich
ihm noch eine Gelegenheit etwas zu stehlen und beobachtete genau wie er
vorging. Es erschien ganz leicht, ich hatte dennoch etwas gelernt.
Vlies hatte mir zwar, ohne es zu wissen, etwas beigebracht, trotzdem wollt
ich den Klimper wieder zurückhaben. Blitzschnell griff ich seine
Hand bevor er verschwinden konnte. Vergeblich versuchte er sich aus meinem
Griff zu befreien. Um seine Aufmerksamkeit zu bekommen verpaßte
ich ihm eine anständige Ohrfeige. Benommen sah er mich an. "Gib
mir das zurück, was du mir gestohlen hast.". Hastig leerte er
seine Taschen und gab mir seinen ganzen Klimper. Morte grinste freudig,
ich beschloß aber Vlies den Rest zurück zu geben, schließlich
bin ich kein räudiger Dieb. Nachdem ich ihn losließ machte
er sich schnell davon. Ich ignorierte Mortes Kommentare und ging weiter.
Hinter einem schäbigen Haus bemerkte ich ein paar seltsame Tiere
die regungslos am Boden lagen. In mitten dieser Tiere stand ein Mann der
unglaublich stank, man konnte seinen Geruch sogar als gelbe Schwaden sehen.
Wir sollten uns beeilen, sonst wird es uns wie den Tieren gehen.
Bevor wir uns davonmachen konnten hatte uns der übelriechende Kerl
bemerkt und winkte uns zu sich her. Angewidert näherte ich mich ihm,
Dak'kon und Morte blieben in sicherer Distanz stehen. "Ich bin Mar,
und ich würde dich gerne um einen Gefallen bitten.". Ich erwartete,
daß er mich fragte, wo er ein Bad finden könnte, Mar erzählte
jedoch daß er sich sein Bein verstaucht hat und seinen Botengang
nicht erfüllen könne. "Es geht um Leben und Tod! Ich muß
dieses Kästchen hier abliefern, sonst geht's mir an den Kragen!".
Ich willigte ein ihm zu helfen. "Es muß zu Ku'atraa gebracht
werden. Er treibt sich wahrscheinlich irgendwo im Südosten des Stocks
rum". Er muß wohl die Gegend bei der "schwelenden Leiche"
gemeint haben. Er warnte mich noch davor das Kästchen zu öffnen,
diese Drohung kam mir jedoch etwas übertrieben vor. Als ich das Kästchen
näher betrachtete beschlich mich ein ungutes Gefühl. Bevor ich
Mar weitere Fragen stellen konnte, rannte er davon. Anscheinend war seine
Verstauchung ein harmloser Vertreter seiner Art. Ich verfluchte mich für
meine Leichtgläubigkeit. Wir sollten das Kästchen bald loswerden.
Von dem Gestank war mir immer noch schlecht. Das Haus vor dem wir standen
schien eine Art Herberge zu sein. Genau das richtige um auszuruhen.
Im inneren der Herberge begrüßte uns Arlo. Ich erwiderte seinen
Gruß und versuchte zu ignorieren, daß er die ganze Zeit an
seiner Nase rumpult und Schorf von ihr kratzt. Als ich mir die Betten
ansah, bereute ich meine Frage: "Könnte ich mich hier ausruhen?".
"Klar, Dussel... wenn du genug Klimper hast.". Ich hatte nicht
anderes erwartet, selbst in so einem Loch ist nicht umsonst. "Keiner
bleibt hier umsonst, außer dem ollen Nestor da drüben. Und
der berappt nur nicht, weil niemand so blöd ist, sich mit ihm anzulegen.".
Ich blickte zu Nestor. Er lief zwar unruhig hin- und her, wirkte aber
auch nicht verrückter als die anderen Stockbewohner.
"Wenn du ihn mir vom Hals schaffst, kannst du hier umsonst übernachten.
So oft du willst.". Das Angebot konnte ich nicht ablehnen. Ständig
auf dem kalten Boden der Gruft zu schlafen ist nicht das Wahre. Ich willigte
ein.
Hinter einem Bett sah ich ein seltsames Wesen. Es schien eine Mischung
aus Ziege und Mensch zu sein. Diese Art war uns bereits auf den Straßen
begegnet. Die beiden anderen Gäste bezeichneten ihn als Baurier.
Gerade als ich ihn ansprechen wollte, bemerkte ich daß er schläft.
Ich fragte mich ob Baurier immer im stehen schlafen oder ob dieser nur
vermeiden wollte sich in eines der Betten zu legen.
Nestor riß mich mit seinem lauten Fluchen und seinen "Luftschlägen"
aus meinen Gedanken. Er war wohl doch etwas verrückter als die anderen
Stockbewohner. "Nein! Nein! Neiiiiin! Das bist du nicht... huh huh!
Aber bald... ja, bald.". Ich machte mir nicht allzu große Hoffnungen,
sprach ihn aber dennoch an. Aus seinem irren Gestammel konnte ich mir
nach einigen Mühen doch ein paar nützliche Informationen zusammenreimen.
Irgend ein Gauner hatte ihm seine Gabel abgenommen und diese Gabel soll
ein Schlüssel zu seinem Protal sein. Nestor hatte sich aber nicht
kampflos ergeben, sondern dem Dieb noch ein Ohr abgebissen.
Es sollte nicht allzu schwer sein, einen einohrigen Mann zu finden. Wenn
Nestor seine Gabel wieder bekommt, wird er sich aus dem Staub machen und
Arlo ist seinen Gast los. Wir machten uns auf die Suche nach dem Gauner.
Hinter der Herberge erblickten wir den Mann mit einem Ohr. Er war zwar
ein hinterhältiger Dieb, ich wollte aber trotzdem versuchen die Gabel
friedlich zu bekommen. Als ich ihn fragte, ob er Nestor die Gabel abgenommen
hat wurde er wütend und griff an. Mit unserer bewährten Taktik
hatten wir ihn schnell besiegt. Er hatte nicht viel dabei, wir hatten
es aber nur auf die Gabel abgesehen.
In der Herberge gabe ich Nestor seine Gabel zurück. Er wirkte sehr
erleichtert und gab mir als Belohnung das abgebissene Ohr. An dem bereits
halbverfaulten Stück Fleisch baumelte ein besonderer Ohrring aus
Obsidian. Leider war er für Diebe gedacht so daß ich ihn erstmal
einsteckte.
Nestor öffnete mit seiner Gabel ein Portal und verschwand. Jetzt
war klar, warum er die Herberge nicht verlassen wollte, er wachte die
ganze Zeit über das Portal. Arlo hatte anscheinend alles beobachtet
und nickte uns zu sich her. Wie versprochen ließ er uns umsonst
übernachten.
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